Diese Reaktion war bezeichnend: Für Lacher wider Willen sorgte SPÖ-Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer bei der letzten TV-Konfrontation, als er beteuerte, das Parteibuch der von ihm bestellten Spitzenbeamten nicht zu kennen. Das nahmen ihm weder das Publikum noch die Konkurrenten ab. So offen ausgelacht wird ein Regierungsrepräsentant aber selten.

Rot und Schwarz haben sich in den vergangenen Jahrzehnten die wichtigsten Posten in Politik, Verwaltung und in der staatsnahen Wirtschaft aufgeteilt. Parteibuchwirtschaft und Postenschacher gehören zu den Lebenskonstanten der Österreicherinnen und Österreicher von der Wiege bis zur Bahre. Aber viele wollen dieses System nicht mehr, in dem man über Beziehungen zu einem Job oder zu einer Wohnung kommt.

Die Unzufriedenheit mit der SPÖ/ÖVP-Regierung und dem Weiterwursteln in diesem Land werden viele in ihr Wahlverhalten einfließen lassen. Diesmal wird bei vielen nicht der Protest für ein Votum ausschlaggebend sein, sondern der Kandidat oder die Kandidatin und das Programm. Noch nie hat es so viele seriöse Anwärter gegeben und nicht nur von der SPÖ und ÖVP entsandte Repräsentanten.

Dieser Wahlkampf war ein Elixier für die politische Debatte. Das starke Interesse zeigen die Einschaltquoten der TV-Sender und die Verweildauer auf Onlineformaten. Außer Hundstorfer standen die anderen Kandidaten zumindest in den vergangenen Jahren nicht im Rampenlicht auf der politischen Bühne und mussten daher ihre Positionen der Öffentlichkeit erst näherbringen.

Müder Apparatschik

Hundstorfer wirkte wie ein müder Apparatschik aus dem SPÖ-Establishment, der auch noch die undankbare Aufgabe hatte, Maßnahmen der Regierung zu verteidigen. ÖVP-Urgestein Andreas Khol trat als kundiger Jurist und kantiger Konservativer auf, der austeilen kann. In der Endphase richtete er seine Angriffe vor allem gegen Irmgard Griss, die mit ihren Aussagen zur NS-Vergangenheit in der Endphase noch liberale potentielle Wählerinnen und Wähler verschreckte. Die einzige Frau im Rennen konnte bei TV-Auftritten punkten und ist für viele auch eine wählbare Alternative zum Grünen Alexander Van der Bellen, der als angeblich Unabhängiger antrat. Van der Bellen legte sich als Einziger fest, er werde eine FPÖ-geführte Regierung nicht angeloben, auch nicht bei absoluter Mehrheit.

FPÖ-Kandidat Norbert Hofer, der sich freundlich im Ton, aber hart in der Sache präsentierte, hat in der letzten ORF-Debatte angekündigt, er werde ein aktiver Bundespräsident sein, und hinzugefügt: "Sie werden sich wundern, was alles gehen wird."

Wahl um Zeitenwende

Das hat viele aufhorchen lassen, denn ein Bundespräsident hat in Österreich weitreichende Kompetenzen und kann den Lauf der Politik entscheidend beeinflussen. Dazu gehört neben dem Oberbefehl über das Heer die Aufgabe, eine Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen, Minister anzugeloben und zu entlassen. Thomas Klestil hat im Jahr 2000 zwar die schwarz-blaue Koalition akzeptiert, aber nicht alle von der FPÖ vorgeschlagenen Minister ernannt. Hofer könnte dagegen Wegbereiter für einen Kanzler Heinz-Christian Strache sein. Das wäre eine Zeitenwende in Österreich.

Das wollen viele verhindern und wählen daher "taktisch" – mit Blick auf die Chancen von Kandidaten in der Stichwahl. Spätestens dann geht es um eine Richtungsentscheidung.

(Alexandra Föderl-Schmid, 22.4.2016)